2
Woran erinnerst du dich besonders, wenn du heute an deinen Aufenthalt zurückdenkst?
Ich musste mir mein ganzes Leben neu aufbauen. Das war ja die schöne Herausforderung. Man wird ins kalte Wasser geworfen. Natürlich hat man eine Ansprechperson, fängt aber eigentlich bei Null an. Du wirst quasi aus deinem ‚Nirwana des Alltags’ herausgerissen. Zu Hause befindet man sich in einer Art wohlbehüteten Kreislauf. Im Gastland kennt man niemanden und die meisten waren auch noch nie dort.
Was mich in Bosnien beeindruckt hat, war die Gastfreundschaft. Meine Vermieterin wohnte mit ihrem Mann in der Wohnung über mir. Ich war eine Woche krank und der Mann kam jeden Tag zu mir und hat mich mit riesigen Portionen Essen versorgt. Als meine Eltern mich besucht haben, waren wir auch einmal bei ihnen zu Gast. Auf einmal kamen immer mehr Leute und das Kennenlernen wurde dann zu einer richtigen Party.
3
Was hast du von der Zeit damals mit in die Gegenwart genommen?
Der kulturweit-Aufenthalt hat mich so sehr beeinflusst, dass ich beruflich was mit Europa machen wollte. Ich habe mein Lehramtsstudium deshalb nach einem Jahr abgebrochen und mich für Europastudien entschieden. Das hat mein Berufsleben natürlich in eine ganz andere Richtung gelenkt.
Der Einfluss war aber nicht nur beruflich: Was ich in Bosnien gelernt habe und ich immer noch als extrem wichtig erachte ist, nicht in Vorurteilen zu denken. Staaten aus Südosteuropa werden oft mit etwas Negativem assoziiert, zum Beispiel mit Korruption. Das ist ein Problem und muss angesprochen werden, aber es ist nicht repräsentativ für die Menschen im Land. Freiwillige sollten die Menschen und die Kultur kennenlernen – und das geht am besten vor Ort.
Was ich noch mitgenommen habe, ist eine regionale Besonderheit: Ich hatte serbische, kroatische und bosnische Freunde. Ich habe mich damals auch mit dem Konflikt beschäftigt und wollte versuchen, ihn besser zu verstehen. Dazu habe ich die Meinungen aller meiner Freund*innen angehört – und die waren grundunterschiedlich. Das nimmt man also auch mit, einen ‚subjektiv-objektiven Blickwinkel‘. Man nimmt Meinungen auf, um sich dann eine eigene zu bilden.
Für mich war die Erfahrung insgesamt eine Art Bewusstseinserweiterung. Ich habe zum Beispiel gemerkt, dass die Bosnier*innen über Deutschland viel mehr wussten als die Deutschen über Bosnien. Ich fand das schade und finde, dass man hier anpacken sollte, um das interkulturelle, bilaterale Wissen weiter zu unterstützen und auszubauen.
Was Moritz während seiner Zeit als kulturweit-Freiwilliger erlebt hat, kann man auch in seinem Erfahrungsbericht nachlesen.