Das wahrscheinlich interessanteste europäische Land
Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze und meinen Kopf leicht nach rechts neige, so erblicke ich ein von mir gemachtes Foto während meines Freiwilligenjahres in Bosnien und Herzegowina. Es ist kein sehr schönes Foto, die Menschen lächeln nicht, schauen stumm geradeaus. Nun, das Foto wurde auf der Veranstaltung zur Vergabe des Deutschen Sprachdiploms (DSD) gemacht, womit wir schon beim Thema wären. Das Jahr in Bosnien und Herzegowina war weder lustig noch langweilig, weder fröhlich noch traurig, weder dramatisch noch ereignislos, es war facettenreich.
Bosnien und Herzegowina ist ein Staat für sich. Wer in einem Land leben will, in dem alles in geordneten Bahnen verläuft, dem empfehle ich einen Aufenthalt in diesem aufregenden Land nicht. Wer als Freiwillige*r aber in einem Staat leben möchte, der eigentlich kein Staat ist, indem nichts so läuft, wie man es gerne hätte und trotzdem weiterlebt, das voller Widersprüche und Konflikte steckt, in dem Gastfreundschaft und Höflichkeit keine leeren Worte sind, den lade ich herzlich dazu ein, das wahrscheinlich interessanteste europäische Land zu besuchen. Glaubt mir, ihr werdet es nicht bereuen!
Parallelen aufdecken
Ich verbrachte die meiste Zeit meines Auslandsjahres an dem Gymnasium Fra Grge Martica, welches sich im kroatisch-dominierten Westteil der Stadt Mostar befindet. Die Schule ist nach einem kroatischen Franziskaner Mönch und Schriftsteller benannt, der im 19. Jahrhundert in der Herzegowina lebte. Die Schule wird von ca. 540 Schüler*innen besucht, die von 41 Lehrer*innen in den verschiedensten Fächern unterrichtet werden.
Ich war für die Vermittlung der deutschen Kultur verantwortlich, d.h. ich hielt Vorträge über das Weihnachtsfest bzw. über die Weihnachtsmärkte, schaute mir zusammen mit den Klassen deutsche Filme an, half bei den Hausaufgaben, studierte mit den DSD-Schüler*innen ihre Vorträge für die mündliche Prüfung ein (in der Nacht vor den Prüfungen habe ich kein Auge zugedrückt) und versuchte Parallelen zwischen der deutschen und der bosnisch/kroatischen Kultur aufzudecken. Es war eine sehr vielfältige Arbeit, die manchmal stressig, aber insgesamt sehr spannend und interessant war.