Pressespiegel

13. Oktober 2018
Frankfurter Rundschau

„Wir müssen heute handeln statt morgen“

Maria Böhmer, Präsidentin der Deutschen Unesco-Kommission, spricht im Interview über den neuen Freiwilligendienst Naturweit und die Zukunft des Planeten.

Die Deutsche Unesco-Kommission und das Auswärtige Amt erweitern den Freiwilligendienst Kulturweit um das Programm Naturweit. Bis zum 3. Dezember können sich junge Menschen zwischen 18 und 26 Jahren um einen sechsmonatigen Einsatz bei Weltnaturerbestätten, Geoparks und Biosphärenreservaten bewerben unter www.kulturweit.de. Seit 2009 haben bislang rund 3700 Freiwillige in mehr als 70 Ländern beim Deutschunterricht an Schulen oder bei Kulturprojekten angepackt oder haben die Arbeit von Unesco-Nationalkommissionen kennengelernt.

Frau Böhmer, ist der neue Freiwilligendienst Naturweit eine Reaktion auf den Klimawandel?

Mit Sicherheit ist der um Umweltprojekte erweiterte Freiwilligendienst eine klare Antwort auf den Klimawandel. Es geht uns darum, junge Menschen für Klimafragen weltweit zu sensibilisieren. Das soll auch ihr Handeln verändern, denn wir wissen ohne Zweifel: Wir müssen heute handeln statt morgen. Das hat uns der jüngste Bericht des Weltklimarats wieder einmal gezeigt.

Welche Länder stehen beim Programm Naturweit zur Auswahl?

Neben Afrika setzen wir auf Lateinamerika, Asien und Osteuropa. Momentan laufen Gespräche mit Partnern unter anderem in Kenia, Namibia, Uganda, Uruguay, Mexiko sowie Vietnam. Wichtiger als der Ort ist aber letztlich, wie sehr sich die Teilnehmer einbringen und gemeinsam daran arbeiten wollen, Umweltfragen mit dem zukünftigen Zusammenleben in der Region zusammenzubringen.

Wie viele Plätze gibt es?

Wir steigen bei Naturweit mit einer überschaubaren Zahl an Plätzen ein. Zunächst sind im kommenden Jahr 40 Plätze vorgesehen. Niemand muss denken, er habe keine Chance, einen Platz zu bekommen. Ich kann nur jeden auffordern, sich zu bewerben. Mit den Kandidaten wird dann besprochen, welches Projekt für sie infrage kommt.

Was lernen die jungen Menschen beim Auslandseinsatz?

Bei unserem Programm sollen junge Menschen jenseits von Tourismus eintauchen in die Welt, Kultur und Natur, und sie sollen den Zusammenhang von Menschen und Umwelt in anderen Regionen erfahren. Die Kandidaten bekommen die Chance, sich in einer Unesco-Weltnaturerbestätte, einem Geopark oder Biosphärenreservat zu engagieren. Sie kommen dadurch hautnah mit anderen Sichtweisen in Kontakt. Mit diesem Perspektivwechsel zurück nach Deutschland zu kommen bedeutet auch, sich mit verändertem Engagement für den Umweltschutz einzusetzen. Dass soziale, wirtschaftliche und ökologische Dimensionen zusammengebracht werden müssen, können Teilnehmer an einer Weltnaturerbestätte erfahren. Das ist zudem ein wichtiges Prinzip der Globalen Nachhaltigkeitsagenda.

Die Unesco treibt weltweit vor allem die Kultur- und Bildungsarbeit voran. Wie passt das mit dem Umweltschutzgedanken zusammen?

Das ist nicht überraschend. Wir sind den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen verpflichtet. Seit Jahren fördert die Unesco Bildung für nachhaltige Entwicklung, und wir wissen, wie wichtig das ist, um Verhalten und Handeln zu ändern, um umzusteuern. Genau das ist der Ansatz von Natur- und Kulturweit. Junge Menschen erfahren, welche Auswirkung ihr Handeln, aber auch ihr Nichthandeln auf die Zukunft unseres Planeten und die der Menschheit hat.

Waren Sie selbst in jungen Jahren länger im Ausland?

Ich bin oft im Ausland gewesen, vor allem in Frankreich und Großbritannien. Ich habe dadurch ganz andere Einsichten gewonnen, die mich mein Leben lang begleitet haben.

Werden die Teilnehmer auf ihren Einsatz entsprechend vorbereitet? Schließlich sind sie mit teils komplexen Fragen etwa in Folge globaler Verteilungskonflikte konfrontiert.

Wir lassen die jungen Menschen nicht allein, der Freiwilligendienst ist auch ein pädagogisches Bildungsangebot. Bevor man ins Ausland geht, findet ein Vorbereitungsseminar statt. Und es gibt ein Zwischenseminar, um das Erlebte zu reflektieren. Die Teilnehmer müssen sich auf die Situation einlassen und offen sein gegenüber sich selbst und anderen Menschen. Und sie brauchen Mut, nicht nur auf der Durchreise zu sein, sondern sich über Monate hinweg einzubringen. Viele, die das Abschlussseminar besucht haben, engagieren sich später in unserem Alumni-Netzwerk.

Vor welchen Herausforderungen steht die Unesco?

Ich bin gerade in Paris bei der Tagung des Exekutivrates der Unesco. Zusammen mit anderen Ländervertretern möchte ich eine Stärkung der Nationalkommission erreichen, der Repräsentanten der Zivilgesellschaft angehören. Als große multilaterale Organisation steht die Unesco vor einem strategischen Reformprozess. Sie muss sich mit neuem Leben füllen. Ihre wichtigsten Ziele sind die Förderung der Bildung und der Erhalt des Menschheitserbes, das vielerorts durch Terrorismus und Kriege, aber auch den Klimawandel oder Massentourismus bedroht ist. Als Präsidentin der Deutschen Unesco-Kommission möchte ich mich zudem für eine junge Unesco einsetzen und Projekte mit jungen Menschen vorantreiben. Naturweit ist eines davon.

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