Öffentlicher Teil der Mitgliederversammlung 2019
Nach einführenden Worten der Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission, Prof. Dr. Maria Böhmer, der Bürgermeisterin der Stadt Mannheim, Dr. Ulrike Freundlieb, und der Direktorin der Kunsthalle Mannheim, Dr. Inge Herold, präsentierten die Mitglieder ihre Ergebnisse. Das geschah in ganz unterschiedlichen Formaten; als Vortrag, Video, Zweierdialog oder Pecha Kucha. Die einzelnen Beiträge interpretierten „Erbe“ in sehr unterschiedlicher, aber auch kritischer Weise. So verbanden die Präsentationen das Menschheitserbe mit dem gesamten Planeten als „zerbrechliches Erbe“, der Hinterlassenschaft des Vormieters im WG-Zimmer sowie dem individuellen Erbe aus der Familientradition.
Erben als intergenerationelle Praxis
Den Auftakt machte eine Gruppe von sechs Teilnehmenden, die sich mit „Erben als intergenerationelle Praxis“ auseinandersetzten. Sie verglich die Weitergabe der Verantwortung für unseren Planeten mit einer komplexen „Murmelbahn“ – eine rasche Entwicklung wie sie sich aktuell vollziehe, bedeute eine steile Laufstrecke, bei der die Murmel aus der Kurve zu fliegen drohe. Eingefordert wurde daher eine generationsübergreifende Zusammenarbeit bei Übernahme und Weitergabe von Verantwortung für den Planeten. Ein Problem sah die Gruppe darin, dass Ideen und Bedürfnisse junger Menschen von Entscheidungsträgern kaum wahrgenommen würden. Angesichts von Demonstrationen gegen die EU-Urheberrechtsreform und der Jugendbewegung Fridays for Future stellte die Gruppe dagegen fest, dass die junge Generation längst bereit sei, Verantwortung zu übernehmen.
Die zweite Gruppe beschäftigte sich mit Erben in einer globalisierten Gesellschaft. Ausgehend von den eigenen Erfahrungen von Einwanderung und Spätaussiedlung identifizierten sie zunächst Sprache und die Begegnung zwischen „neuer“ und „bisheriger Kultur“ als ihr Erbe. Das Menschheitserbe sollte stärker von einer globalen Perspektive gesehen werden. Errungenschaften wie Freiheit und Menschenwürde müssten als Erbe verstanden werden genauso wie ein Verständnis für die Zugehörigkeit auf mehreren Ebenen. Die Gruppe rief dazu auf, Erbe als sich dauernd transkulturell wandelnd und durchdringend zu verstehen.
Der digitale Raum als Erbe der Digitalisierung?
Die dritte Gruppe hinterfragte Rassismen in Deutschland als Erbe des Kolonialismus – ein Erbe, das sie gerne abgeben und durch aktive Arbeit überwinden möchte. Hinterfragt wurde auch die eigene Legitimation, sich vor dem Hintergrund der „Critical Whiteness“ mit dem Thema zu beschäftigten. Die Arbeit der UNESCO im Kampf gegen rassistische Diskriminierung wurde gewürdigt, zugleich aber auch gefragt, ob die UNESCO und die Deutsche UNESCO-Kommission ungewollt rassistisch wirken könnten. Dabei beschäftigte sich die Gruppe mit der Einschreibung von Welterbestätten und der Vermittlung von deren kolonialem Hintergrund. In Frage gestellt wurde, ob hierzulande die UNESCO-Vorhaben General History of Africa und das Slave Route Project aufgegriffen werden und ob sich in der Mitgliedschaft der Deutschen UNESCO-Kommission die gesellschaftliche Vielfalt Deutschlands spiegele.
In einem Video identifizierten sich die Mitglieder der folgenden Gruppe als „Digital Natives“, die den digitalen Raum wie keine Generation zuvor als ihren Referenzraum und damit als ihr Erbe empfindet. Sie gingen also weit darüber hinaus, dass die Digitalisierung Zugang zu materiellem und immateriellem Erbe verbessert, oder dass Großrechner und frühe Software Erbe bedeuten. Für sie sind der digitale Raum, seine Folgen als auch soziale Praktiken, die durch die Digitalisierung entstanden sind, das Erbe der Digitalisierung. Sie forderten daher, bei Entscheidungen über Digitale Fragen am Tisch zu sitzen, gerade wenn es um die Transformationen der Industrie 4.0 für ihre eigene unmittelbar bevorstehende Zukunft geht.