Franziska Flessa

Franziska Flessa ist Lehrerin an einer Integrierten Gesamtschule in Berlin-Wedding. 2011 war sie mit kulturweit und dem PAD/ZfA zwölf Monate am Instituto Carlos Culmey in Montecarlo, Argentinien.

Zubereitung von Mate Tee

kulturweit und ich

Begonnen hat mein Leben mit kulturweit mitten in meinem Studium. Als ich damals im siebten Semester meines Lehramtsstudiums war und schon ein Praxissemester an einem Gymnasium hinter mich gebracht hatte, war mir eigentlich klar, dass ich eine Pause brauchte. Ich wollte weg, ganz weit weg. Jena, wo ich studierte, war mir zu klein geworden, die Gesichter, die ich sah, waren täglich die gleichen. Eine Freundin, selber kulturweit-Alumna, empfahl mir kulturweit.

von der Kleinstadt in die Kleinstadt

Ein Jahr später landete ich an einer Schule im beschaulichen Montecarlo, im äußersten Norden Argentiniens. Die Luft war heiß und feucht, die Natur tropisch und jeder kannte jeden. Ehrlich gesagt entsprach meine Einsatzstelle überhaupt nicht meinen Vorstellungen – wieder eine kleine Stadt und wieder ein ganzes Jahr an einer Schule arbeiten – das sah in meinen Träumen ganz anders aus. Rückblickend war es aber wohl das Beste, was mir passieren konnte. Ich lernte nämlich ziemlich viel über mich selbst und über den Umgang mit anderen Menschen, Lebensweisen, politischen Einstellungen und die Welt. Ich schloss Freundschaften, die bis heute Bestand haben und auf die ich auf keinen Fall verzichten möchte. Endlich verstand ich, wie privilegiert ich bin, dass ich in Deutschland studieren darf und lebe, wie ich eben lebe. Zurück in Jena studierte ich deshalb plötzlich mit viel mehr Tiefe und Verstand.

eigene Privilegien verstehen

Nach einem Jahr im wunderschönen Südamerika wollte ich kulturweit nicht enden lassen und bewarb mich für die Co-Trainerinnen und -Trainer Ausbildung, um Seminare zu begleiten und – vielleicht auch nicht ganz uneigennützig – meine pädagogischen Fähigkeiten weiter auszubauen. Dadurch blieb ich nicht nur mit anderen Freiwilligen in Kontakt, sondern lernte auch viel über Antirassismusarbeit, Antidiskriminierung und Privilegien. Ich durfte viele Seminare begleiten und mich ständig weiterentwickeln, was im Nachhinein für meinen Beruf als Lehrerin eine riesige Bereicherung war.

Zum Referendariat verschlug es mich schließlich an eine Integrierte Gesamtschule in Berlin-Wedding. Im Gegensatz zu meinem Freiwilligendienst in Argentinien war das ein echter Kulturschock für mich. Nach und nach begriff ich aber, wie meine Schülerinnen und Schüler, welche größtenteils aus dem sogenannten sozialen Brennpunkt kommen, leben und lernen. Ich blieb! Jetzt bin ich Klassenlehrerin einer Sprachlernklasse, die zum Großteil aus geflüchteten Jugendlichen mit oder ohne Eltern besteht, die ich schon nach wenigen Wochen sehr ins Herz geschlossen habe. Als kulturweit-Alumna und Lehrerin darf ich außerdem im neu einberufenen Beirat der UNESCO-Projektschulen sitzen und so weiterhin aus den Erfahrungen aus dem kulturweit-Jahr profitieren.