Mit Gelassenheit ist alles möglich

Valeria war 2014 für sechs Monate im DAAD-Informationszentrum in Yaoundé in Kamerun tätig.

Valeria im Gespräch mit Student im DAAD-Informationszentrum Valeria und Studenten vor dem DAAD-Informationszentrum in Yaoundé

"Du gehst nach Afrika?", schrien mir alle ins Gesicht, denen ich erzählte, ich ginge mit kulturweit nach Kamerun. "Afrika" hieß es dann, nicht mal "Kamerun". Denn im Grunde ist es wohl das, was viele Menschen denken – Afrika, das "Land", wo man entweder an Ebola erkrankt, als Geisel genommen wird und wenn nicht am hellen Tag von Banditen erschlagen, so doch mindestens ausgeraubt wird. Zugegeben, abgeschreckt von den vielen Klischees, die mir entgegenkamen, bekam auch ich Zweifel. Als ich jedoch in Yaoundé ankam, sah ich nicht das arme, gefährliche, korrupte "Afrika", das mir viele beschrieben. Ich sah eine Stadt, in der das Leben pocht und zwar Tag und Nacht, eine Stadt, in der an jeder Ecke Musik spielt, eine Stadt, wo fliegende Händler mit Nüssen, Schuhen und Autoreifen auf dem Kopf durch die Straßen laufen, eine Stadt, wo Menschenmassen und Taxis sich zusammen durch bunte Märkte drängeln und wo mir der Duft nach gegrilltem Fisch den Magen knurren ließ.

Kamerun wird auch als "Afrika in Miniatur" bezeichnet. Es vereint die Halbwüste mit dem Regenwald, das tropische und semiaride Klima und über 200 Ethnien und Sprachen auf einer Fläche, die kleiner ist als Frankreich. Jahrhunderte lang war es Spielball der Portugiesen, der Deutschen, der Engländer und der Franzosen. Mich hat manchmal gewundert, mit wieviel Freundlichkeit und Interesse ich empfangen wurde, wenn ich bedenke, dass dieses Land so viel Unterdrückung und Ausbeutung von außen erlebt hat (und teilweise heute noch erlebt). Wenn ich mir vorstelle, wie viel Fremdenfeindlichkeit es in Deutschland gibt – einem Land im Wohlstand, das nie kolonialisiert wurde – dann bewundere ich umso mehr die freundliche und warmherzige Art, mit der ich in Kamerun empfangen wurde. Trotz aller Gastfreundlichkeit musste ich mich erst an die Aufmerksamkeit gewöhnen, die mir und anderen Nicht-Kamerunern gewidmet wurde. So kam es vor, dass wir unbeabsichtigt zur Attraktion eines gesamten Stadtviertels wurden.

Im DAAD Informationszentrum Kamerun

Die letzten beiden Kolonialmächte prägten auch die heutige Struktur Kameruns – ein anglophoner Teil im Nord-Westen und ein frankophoner Teil im Rest des Landes. Kamerun ist dadurch nicht nur bilingual, sondern besitzt auch ein duales Bildungssystem. Dieses Bildungssystem ist in Deutschland anerkannt, sodass jeder Kameruner, der ein Abitur hat, in Deutschland studieren kann. Daher ist es kein Wunder, dass kamerunische Studenten die größte Gruppe der Studenten aus Subsahara-Afrika in Deutschland ausmachen. Das stellt den DAAD Kamerun vor große Herausforderungen. Eine riesige Germanistikabteilung mit Hunderten Studenten, überfüllte Vorlesungssäle, volle Informationsveranstaltungen und Sprechstunden.

Unser kleines Drei-Personen-DAAD-Team leistete umfangreiche Arbeit – wir führten regelmäßige Infoveranstaltungen über das Studium in Deutschland durch, empfingen täglich Studenten zur individuellen Beratung, entwickelten Gewinnspiele und Umfragen im Internet und organisierten die erste große Hochschulmesse in Kamerun. Diese Messe war ein großer Erfolg für den DAAD und die teilnehmenden deutschen Hochschulen – sie zählt zu meinen Highlights während des Freiwilligendiensts. Zusätzlich zu diesen vielseitigen Aufgaben durfte ich ein Tutorium für Germanistikstudenten selbstständig organisieren und leiten. Meine Arbeit war nicht nur abwechslungsreich und interessant, sie ermöglichte mir auch, das kamerunische Bildungssystem von innen kennenzulernen, Strukturen und Arbeitsabläufe hautnah zu erleben und in direkten Kontakt mit Studenten zu treten, von denen einige sehr gute Freunde wurden und es bis heute noch sind.

"Die Wespe hat ihre Kraft vom Nest"...

... ist ein kamerunisches Sprichwort und beschreibt sehr gut gesellschaftliche Werte, die mir in Kamerun begegneten: Teilen, Zusammenhalt, gegenseitige Hilfe, Toleranz und Akzeptanz. Ich wohnte in einer kamerunischen WG mit vier Mitbewohnern. Tatsächlich waren wir aber immer mindestens zehn Personen im Haus. Abends haben wir zusammen gekocht, bei der Fußball-WM gejubelt, "Mensch ärgere dich nicht" gespielt oder auf den Straßen gefeiert. Das Fehlen von Beschwerden wegen Lärmbelästigung und gestörter Nachtruhe, wie ich sie aus Deutschland kenne, war eine neue Erfahrung für mich. Und wer nicht gerne tanzt, sollte sich schnell eine glaubwürdige Ausrede einfallen lassen. In dieser Geselligkeit lernte ich auch, wie man einen Fisch so aufisst, dass keine einzige Gräte übrigbleibt, wie man die gesamte Bettwäsche in einem einzigen Eimer waschen kann und wie man souverän auf einer unbeleuchteten Straße läuft, ohne in den Straßengraben zu fallen.

Neben der spannenden Arbeit beim DAAD hatte ich auch Zeit zu reisen. Ob weiße Palmenstrände in Kribi, spektakuläre Wasserfälle in Bafang, Nachtleben im pulsierenden Douala oder kulturelle Reliquien einstiger Königreiche – wer "Afrika in Miniatur" erleben möchte, sollte gut planen und geduldig sein, denn die Tourismusbranche ist in Kamerun noch nicht sehr entwickelt. Das hat aber den Vorteil, eine unberührte Natur sehen und Einheimische kennenlernen zu können.

Nichts ist unmöglich

Trotz aller Schwierigkeiten, die während meines Freiwilligendiensts durchaus aufgekommen sind, habe ich in Kamerun eine sehr beruhigende Sache gelernt: Nichts ist unmöglich. Zehn Personen passen nicht in einen PKW? Doch, das tun sie. Nudeln kochen im Regenwald ohne Topf geht nicht? Doch, es geht. Einen Bademantel in einer Bar um 3 Uhr morgens kaufen? Möglich. Somit habe ich während meines Freiwilligendiensts nicht nur wertvolle berufliche Erfahrungen gesammelt, neue Freunde und ein interessantes Land kennengelernt. Ich habe auch Werte und Weltanschauungen mitgenommen, die ich vorher nicht hatte und die mich persönlich geprägt haben.