2016

PAD/ZfA
Ungarn

Ich versteh' nur Paprika

Zwischen Kakaoschnecken und Plattensee verbrachte Isabella Waldorf ihren zwölfmonatigen Freiwilligendienst in Pécs, Ungarn.

"Köszönöm a segítséget" – Ganz langsam und mit wackeliger Stimme üben Greta und ich diesen Satz ein. Wir sitzen Mitte September 2016 im Zug von Budapest nach Pécs, unserer Heimat für die nächsten Monate. Wir beide verbringen, mit noch zwei anderen Freiwilligen, das Jahr in der südungarischen Großstadt unweit von der kroatischen Grenze. Und wir alle mussten erstmal auf Wikipedia nachschauen, wo diese Stadt überhaupt liegt und noch wichtiger, wie man den Namen aussprechen soll (Pehtsch). In den ungarischen Zügen fühlt man sich fast wie in seinem Lieblingscafé: die dunklen Polster sind gemütlich und das schummrige Licht vermittelt zusammen mit den vorbeiziehenden Landschaften eine atmosphärische Stimmung. Mittlerweile schauen die ersten Mitreisende neugierig in unsere Richtung, angesichts unserer sichtlichen Anstrengungen mit unserem ersten Satz. Bei uns steigt die Aufregung, bald in unserer neuen Heimat anzukommen.

Es hätte mich kaum besser treffen können

Ein paar Monate später ist Pécs längst nicht mehr fremd und Ungarisch ist zur selbstverständlichen Hintergrundmusik meines Alltags geworden. Obwohl Pécs verglichen mit meinem Zuhause in Deutschland mit 150.000 Einwohner etwas kleiner ist, ist die Stadt total bunt, lebendig und lädt dazu ein, viel Zeit in den süßen Cafés und Konditoreien zu verbringen. Meine Einsatzstelle ist das "PTE Gyakorló Általános Iskola, Gimnázium és Szakgimnázium" – kurz auch einfach "Babits" genannt. Mit meiner Schule hätte es mich kaum besser treffen können. Die achtköpfige Fachschaft hat mich vom ersten Tag an total gut aufgenommen und meine Aufgaben sind spannend und vielfältig.

Zum Beispiel helfe ich mit im deutschsprachigen Theaterunterricht, vertrete die Schule auf Instagram und Facebook und wirke natürlich auch bei zahlreichen Projekten mit. Besonders Spaß hat mir die Mitarbeit bei Jugend debattiert international gemacht, wo einer meiner Schüler es sogar ungarnweit auf den 4. Platz geschafft hat. Es bleibt daneben aber auch viel Platz für eigene Ideen und Initiativen. Wir Freiwilligen in Pécs haben ein schulübergreifendes deutschsprachiges Magazin zusammen mit Schüler*innen aus Pécs erstellt, was jetzt an allen Gymnasien in der Stadt ausliegt.

Vor einem historischen Gebäude fliegen Seifenblasen empor Isabella (2.te von links) ihre Kolleginnen und ein Kollege posieren für ein Gruppenbild Blick auf Pécs in der Abenddämmerung, man sieht Kirchen, historische Gebäude und Wohnhäuser. im Vordergrund Bäume, im Hintergrund weite Landschaft und Felder

Neben der Arbeit hat man in Pécs zahlreiche Freizeitmöglichkeiten. Ich habe zum Beispiel an der Universität eine wöchentliche englischsprachige Vorlesung zum Thema "Mitteleuropäische Filmstudien" besucht, in einem Chor mitgesungen, bin im Mecsek-Gebirge gewandert, habe Theater gespielt und an den Wochenenden oft die Gelegenheit genutzt, die Region zu erkunden.

Köszönöm a segítséget – Danke für die Hilfe

Ein paar Monate später bin ich es schon gewohnt, dass die meisten deutschen Bekannten etwas irritiert reagieren, wenn ich erzähle, ich lebe jetzt in Ungarn. Ich freue mich aber jedes Mal von der Vielfalt des Landes zu erzählen. Vorchristliche Gräber, Gastfreundschaft, pulsierende Großstädte und in der Mitte der wunderschöne Plattensee. Und wenn das alles nicht reicht, dann berichte ich von den leckeren Kakaoschnecken. Allein für die würde es sich schon lohnen, mal nach Ungarn zu kommen.

Mein Freiwilligendienst hat mir so (nicht nur wörtlich gemeint) geholfen, über meinen eigenen Tellerrand hinauszuschauen und mir neue Perspektiven aufzuzeigen. Am Ende bleibt nur – ein mittlerweile ganz flüssiges – "Köszönöm a segítséget – Danke für die Hilfe" an alle, die das möglich gemacht haben.