Vom Audioguidebis zum Wörterbuch
Jihen Saoudi aus Tunesien hospitierte von September bis November 2022 in einem Berliner Kulturzentrum.
Mein Name ist Jihen Saoudi, ich bin 25 Jahre alt und komme aus Tunesien. Nachdem ich 2015 mein Abitur bekam, habe ich Deutsch als Fremdsprache studiert. 2018 habe ich das Nationaldiplom für angewandtes Deutsch erhalten. Darüber hinaus hatte ich die Chance, 2017 ein Auslandssemester an der Universität Paderborn zu absolvieren, das ich erfolgreich abgeschlossen habe.
Über Facebook habe ich erfahren, dass ich an einem Freiwilligenprojekt der Deutschen UNESCO-Kommission teilnehmen könnte. Ich habe nicht gezögert und mich darum beworben. Im Herbst wurde ich zum Glück in Berlin für drei Monate als Hospitantin für das Projekt „Gemeinsam freiwillig engagiert“ angenommen. Meine Einsatzstelle war das Kulturzentrum Oyoun in Neuköllln.
Jetzt gebe ich Ihnen einen Überblick über meinen Aufenthalt in Deutschlands Hauptstadt. Los geht‘s!
„Mit neuen Gefühlen, neuer Persönlichkeit und neuer Motivation."
Am 3. September 2022 bin ich zum zweiten Mal in meinem Leben nach Deutschland geflogen, mit neuen Gefühlen, neuer Persönlichkeit und neuer Motivation. Die anderen Hospitant*innen und ich haben innerhalb von fünf Tagen an einem Seminar mit mehreren Workshops teilgenommen. Wir haben uns dabei über verschiedene kulturelle Themen unterhalten und viele Ideen ausgetauscht. Nach den Seminaren hatten wir das Gefühl, selbstständig in verschiedenen deutschen Städten leben und arbeiten zu können. Ich habe bei einer sehr freundlichen und netten Gastfamilie gewohnt.
Am 12. September bin ich zum ersten Mal zu meiner Einsatzstelle gegangen, die von meiner Wohnung 30 Minuten entfernt lag und habe meine Kolleg*innen kennengelernt. Sie kommen aus verschiedenen Ländern, aber sie teilen das gleiche Ziel: In einem Haus mit Vielfalt, toleranter Kultur und ohne Diskriminierung zu arbeiten. Die Arbeit bei Oyoun ist sehr interessant, denn es geht um Teamarbeit. Das fand ich sehr gut, weil es mir die Gelegenheit gegeben hat, die Sprache zu üben. Das heißt, mehr auf Deutsch zu sprechen und neue Vokabeln zu lernen.
Da ich mit qualifizierten Kolleg*innen gearbeitet habe, konnte ich in diesem Arbeitsbereich neue berufliche Erfahrung sammeln, die meine Fachkenntnisse erweitert haben.
Meine erste Aufgabe war, ein Wörterbuch zu erstellen. Das heißt, ich sollte bestimmte Begriffe erklären, beispielsweise Queer, B*IPOC, Colorism, Rassismus, FLINTA*, Kolonialismus, kulturelle Aneignung und viele andere. Dieses Wörterbuch wird später in Oyoun bleiben und an kommende Hospitant*innen weitergegeben werden. Ich habe auch an Workshops teilgenommen, die sich mit Diskriminierungen befassen. In diesen Workshops geht es darum, sich über Fälle von Diskriminierung zu unterhalten und die richtige und beste Art zu finden, damit umzugehen.
Darüber hinaus habe ich mit zwei anderen Kolleg*innen Veranstaltungen betreut. Zu den wichtigsten Aufgaben gehörte auch, ein eigenes Projekt zu gestalten. Es bestand daraus, eine Audio-Aufnahme auf Deutsch, Französisch und Arabisch zu erstellen, mit der die Besucher*innen eine auditive Präsentation der Ausstellung hören können.
Am Wochenende habe ich natürlich die Freizeit genossen. Ich habe viele Plätze besichtigt: den Tegeler See und Schäfersee, die ARTCO-Galerie, die Spree, die Sehitlik-Moschee, das Schloss Charlottenburg, den Mauerpark… Manchmal traf ich mich mit meinen Freundinnen aus Ägypten, Salma und Radwa. Während meiner Hospitation habe ich die Gelegenheit genutzt und außerdem einen Urlaub in Frankreich verbracht. Das war meine erste Reise dahin. Am Wichtigsten war mir dabei, dass ich meine zwei Brüder sehen konnte, die in Frankreich leben und seit Beginn der Corona-Pandemie nicht mehr in Tunesien waren.
„Für mich war es ein großer Schritt, drei Monate alleine in Deutschland zu leben."
Ich möchte gern darauf hinweisen, dass es am Anfang nicht einfach ist, in einem fremden Land zu leben und zu arbeiten, besonders wenn man die Sprache nicht perfekt spricht. Für mich war es ein großer Schritt, drei Monate alleine in Deutschland zu leben und ich habe dadurch ein größeres Selbstbewusstsein bekommen. Bei der Arbeit habe mich am Anfang nicht so gut betreut gefühlt, aber sobald ich gefragt habe, bekam ich Unterstützung. Dadurch habe ich herausgefunden, wie wichtig es ist, Initiative zu zeigen. Ich musste auch in der Lage sein, meine Ideen vorzuschlagen, weil die Mitarbeiter*innen meine Interessen nicht kannten. Dadurch habe ich neue Seiten an mir kennengelernt und besonders meine Stärken entdeckt. Denn das ist am allerwichtigsten: du sammelst einmalige Erfahrungen, übernimmst Verantwortung, lernst deine Stärken kennen und meisterst Herausforderungen. Kurzum: Eine Hospitation bringt dich weiter!