"Hast du uns Pferde-fleisch mitgebracht?"– Gedanken über dasZurückkehren
Vincent war mit PAD/ZfA für zwölf Monate in Vişeu de Sus in Rumänien.
Die Antwort darauf ist einfach
"Schön, dass du wieder da bist. Hast du uns Pferdefleisch mitgebracht?" Was für ein Empfang! Was als Witz gemeint ist, bestätigt mir auf unangenehme Art und Weise, dass ich wieder zu Hause bin. Hier, in Westeuropa, genießt Rumänien bekanntermaßen keinen guten Ruf. Mit unzähligen Vorurteilen belegt, wird dieses Land oft zu Unrecht beschimpft und allenfalls bemitleidet. Meist jedoch wird Rumänien einfach ignoriert. Nach einem Jahr in diesem wunderschönen Land hatte ich das alles fast vergessen. Seitdem ich vor einer Woche zurückkam, musste ich natürlich häufig von diesen Erlebnissen berichten und oft diese komische Frage beantworten: "Und, wie war’s?". Die Antwort darauf ist eigentlich einfach. Sie variiert etwa zwischen "Gut!", "Super!" und "Toll!". Schwierig wird es erst bei der Begründung, denn diese lässt sich unmöglich ausformulieren und findet sich deshalb auch in keinem Erfahrungsbericht wieder. Es sind die vielen kleinen Momente, die dieses "gute" Gefühl ausmachen und die so unbeschreiblich sind.
Zweimal zurück
"Zurück" – Das steht auf den Postkarten mit dem Zugangscode für das Alumninetzwerk, die wir auf dem Nachbereitungsseminar bekommen. Weiß auf schwarzem Hintergrund, irgendwie melancholisch. Zum Glück gibt es mindestens zwei "Zurücks", die spannenderweise in entgegengesetzte Richtungen deuten. Da ist das "Zurück in Berlin", in dieser wunderbaren Stadt, die es tatsächlich geschafft hat, mich in nur einer Woche wieder vollends zu verschlingen. Ich bin zurück in bekannter Umgebung und bekanntem Umfeld. Ich treffe Freund*innen und Familie, aber auch viele alte Angewohnheiten wieder. So vieles wird in rasantem Tempo wieder zurück auf den Ausgangszustand gesetzt. Berlin holt mich in derart gewaltiger Art und Weise wieder zu sich, dass es mir schwerfällt, in diesem Bericht überhaupt etwas aus Rumänien zu schreiben. Schon kommt es mir vor, als wäre ich eine Ewigkeit wieder in Deutschland, dabei liegt meine Abfahrt aus Vişeu de Sus nur zwei Wochen zurück.
Vişeu de Sus hat für das zweite "Zurück" gesorgt, das „Ich fahre bald wieder zurück“. Ja, auch Rumänien hat es nicht versäumt, Spuren zu hinterlassen. Es hat sich groß gemacht und für so viel Sehenswertes gesorgt, dass es auch in einem Jahr nicht unterzubringen ist. Es hat mich mit vielen besonderen Menschen bekannt gemacht und Freundschaften entstehen lassen. Es hat mich mit Landschaft, Leuten und Lebensart beeindruckt und mich nachhaltig geprägt. Doch nicht nur das. Es hat mich auch motiviert, meine Erfahrungen weiterzugeben. Die nächste Reise ist jedenfalls schon geplant. In diesem Sommer werde ich voraussichtlich eine Klassenfahrt einer Berliner Schulklasse begleiten und zurückfahren an den Ort, der für das vergangene Jahr mein Zuhause war.
Rumänien hat es nicht versäumt, Spuren zu hinterlassen
Ein Jahr lang habe ich in Vişeu de Sus gewohnt. Das liegt in Nordrumänien, unweit der Grenze zur Ukraine, in der Region Maramureş. Als Freiwilliger arbeitete ich an einer Schule. Ich gab Deutschunterricht und bot verschiedene Projekte an, um den Schulalltag ein wenig bunter und lustiger zu gestalten. Besonders gerne werde ich mich an die Film-AGs erinnern. Hier erarbeiteten die Schüler*innen Schritt für Schritt einen eigenen kleinen Film. Auch die Nachmittagsbastelstunden mit den Grundschulklassen werden mir in guter Erinnerung bleiben.
Meine Freizeit verbrachte ich viel auf den umliegenden Gipfeln der Karpaten. Ob wandernd, kletternd oder auf dem Snowboard, genoss ich die unmittelbare Nähe zu den Bergen. Diverse Wochenendtouren brachten mich auch an weiter entfernte Orte und in die größeren Städte Rumäniens. So besuchte ich zum Beispiel den weltweit einzigartigen lustigen Friedhof in Sapanta, ich erlebte die persönliche Atmosphäre beim Transsilvanian International Film Festival (TIFF) in Cluj und ich feierte am ersten Mai mit Rumäniens Jugend am Schwarzen Meer.
Das ist schon lange bewiesen und trifft auch auf Rumänien zu. Sowie Rumäniens Geschichte die Geschichte seiner Minderheiten ist, so ist auch die Vielfalt seiner kulinarischen Seite von diesem Merkmal geprägt. Von Kohlrouladen bis Baklava bieten sich viele Varianten lokale und eingewanderte Küche zu kombinieren. Nicht umsonst habe ich neben einer Bananenkiste voller Einweckläser auch gleich einen ganzen Schinken nach Deutschland eingeführt – vom Schwein wohlgemerkt.
Der wahre Kern
Vielleicht ist das der wahre Kern eines Auslandsaufenthalts. Das Zurückkommen. Die zwei beschriebenen "Zurücks" und die vielen kleinen "Zurücks", die sich dazwischen tummeln und in alle erdenklichen Himmelsrichtungen zeigen, deuten gemeinsam eben doch alle nach vorn.