Regen ist eingutes Zeichen.
Linus hat 2010 sechs Monate bei der UNESCO-Nationalkommission in Kigali in Ruanda verbracht.
Der Regen schlägt gegen die Fenster des Flugzeugs. Ich versuche etwas durch die Scheiben zu erkennen. Draußen muss Kigali sein, wo ich die nächsten Monate verbringen werde, um im Rahmen des Freiwilligendienstes kulturweit bei der ruandischen UNESCO-Nationalkommission zu arbeiten. Im Flughafengebäude werde ich herzlich vom Generalsekretär der Kommission empfangen. Er erklärt mir, dass es in Ruanda ein Sprichwort gibt, nach dem es ein sehr gutes Zeichen sei, wenn es bei der Ankunft eines Gastes regnet. Das war im September 2009, dem Monat in dem die Regenzeit beginnt.
Um ehrlich zu sein hatte ich vor meiner Bewerbung bei kulturweit kein großes Wissen über die Funktionsweise der UNESCO. Von Nationalkommissionen hatte ich noch nie etwas gehört. Erst als es darum ging, bei der Bewerbung eine mögliche Einsatzstelle auszuwählen, informierte ich mich umfassend und machte dann ein Kreuz bei "UNESCO-Nationalkommissionen". Zum einen hatten mich die verschiedenen Arbeitsgebiete der UNESCO interessiert, auch aufgrund meiner Studienfächer (Kommunikationswissenschaft und Geschichte), zum anderen gefiel mir die Idee in einer Institution zu arbeiten, die einerseits mit der UNESCO als "Mutterorganisation" verbunden ist, aber doch in erster Linie eine staatliche Institution ist. Ich hoffte, dass ich auf diese Weise interessante Einblicke in beide Bereiche (UNESCO und Staat) bekommen könnte.
Ruanda blickt nach vorne
Umso glücklicher war ich dann, als ich eine Einsatzstelle bei der UNESCO-Nationalkommission in Ruanda angeboten bekam. Allerdings hatte ich anfangs auch gemischte Gefühle. Dies lag vor allem an der jüngeren ruandischen Geschichte, an die mich kritische und besorgte Nachfragen von Freunden und Verwandten immer wieder erinnerten. So wurde ich überrascht gefragt, ob der Völkermord in Ruanda denn schon beendet und ob es generell sicher sei. In der Zwischenzeit konnte ich sie alle beruhigen. Das Leben in Ruanda war absolut ungefährlich. Im Gegenteil – es ist beeindruckend zu sehen, wie die Menschen nach den grausamen Ereignissen im Jahr 1994 nach vorne blicken und ihr Land voran bringen möchten.
Mittlerweile liegen die sechs Monate meines Einsatzes bei der Nationalkommission hinter mir und rückblickend muss ich dem anfangs erwähnten Sprichwort Recht geben. Ich habe mich unglaublich wohlgefühlt und wurde von meinen Kollegen von Beginn an sehr gut integriert. Das ist keineswegs selbstverständlich, denn einen Freiwilligen hatte es bis zu meiner Ankunft in der ruandischen Nationalkommission noch nicht gegeben. Zu Beginn hatte ich viel Zeit, mich mit den Strukturen und Projekten vertraut zu machen und wurde mit Berichten, Büchern und Prospekten eingedeckt. Nach der ersten Woche präsentierte ich dann einen kleinen Arbeitsplan. Meine Hauptaufgabe war in der Zeit danach zunächst die Entwicklung einer Internetseite für die Kommission. Diese ist inzwischen fast fertig und wird diese Woche freigeschaltet.
Weitere Projekte oder Bereiche, in denen ich gearbeitet habe, waren die Umstrukturierung der Bibliothek der Kommission und der Aufbau von Schulpartnerschaften zwischen deutschen und ruandischen UNESCO-Projektschulen. Daneben gab es noch zwei wichtige Pflichttermine für meine Kollegen. Jeden Dienstag und Donnerstag habe ich für etwa eine Stunde Deutschunterricht gegeben. Morgens auf dem Flur habe ich dann beispielsweise folgenden Dialog mitgehört: "Guten Morgen, alles klar?" – "Ja, alles klar!"
Neue Perspektiven
Ich habe vorher lange überlegt, ob es Sinn macht, zwischen Bachelor und Master eine Zeit lang etwas ganz anderes zu machen und mich bei kulturweit zu bewerben. Mittlerweile weiß ich, dass es die absolut richtige Entscheidung war, nach Ruanda zu gehen. Die Erfahrungen und Gespräche dort haben mir ganz neue Perspektiven eröffnet. Sowohl im Hinblick auf meine Berufswahl, aber auch in Bezug auf den Umgang mit vielen alltäglichen Dingen oder Problemen. Bei meiner Rückkehr nach Deutschland Ende Februar hat es dann zwar geschneit und nicht geregnet – ich werte das im Sinne des ruandischen Sprichwortes aber auch einfach mal als gutes Zeichen.