Alltag in Sofia
Auch mal was auslassen, um im Alltag anzukommen – Franziska Schmidt hat ihren Freiwilligendienst in Bulgariens Hauptstadt Sofia verbracht.
Meine letzte Woche in Sofia. Die letzten Male morgens zum Institut laufen, unterwegs wie immer Obst und Ayran bei meiner Obsthändlerin für den Arbeitstag kaufen. Das Goethe-Institut Bulgarien liegt in der Sofiater Innenstadt, gleich neben den eindrucksvollen sozialistischen Bauten.
Im Goethe-Institut
Die Kolleg*innen begrüßen und für mich einen kurzen Plan für den Tag erstellen: das wöchentliche Treffen mit den Kolleg*innen des Kulturprogramms, zwei Facebookposts vorbereiten, einen Veranstaltungstext korrigieren und im Laufe des Tages kommt spontan eh noch etwas hinzu.
Ich bin als kulturweit-Freiwillige im Kulturprogramm tätig, arbeite aber auch mit den Kolleg*innen aus der Bibliothek oder aus dem Sprachen- und Bildungsbereich zusammen. Das Institut hat viele kleine und große Projekte und arbeitet mit zahlreichen Partner*innen zusammen, was spannend ist, um einen Einblick in die lokale Kulturszene zu bekommen. Eines der interessantesten Projekte für mich war der Umbau einer alten Druckerei, die inzwischen das neue Sprachzentrum des Instituts beherbergt. Ich durfte sowohl bei der Planung und Durchführung dieses Baus als auch bei der Einrichtung mitarbeiten. Herausfordernd war auch der Sprachkurs „Konversation C1“, den ich zwei Semester lang geleitet habe. Obwohl die Kursteilnehmer*innen deutlicher älter waren als ich, haben sie mich in der Rolle der Kursleiterin akzeptiert und wir hatten einen tollen Austausch über Themen wie das Grundeinkommen, Carsharing oder die Mietpreisbremse.
Die Entscheidung für einen Freiwilligendienst beim Goethe-Institut scheint mit Hinblick auf meinen Bachelorabschluss in Stadtforschung nicht sofort logisch. Jedoch war die projekt- und teamorientierte Arbeit im Institut eine wertvolle Erfahrung, von der ich sicherlich in vielen Bereichen profitieren kann.
Vom Chaos in den Alltag
Während ich während dieser letzten Woche ein bisschen sentimental durch Sofias Straßen laufe, denke ich an die ersten Tage im letzten September. Ich kannte die Google Maps-Bilder, die Reiseführer, einige Informationen über Geschichte und Kultur. Die ersten Wochen waren hektisch, ich wollte alles sehen, alles erleben. Irgendwann dann aber die Erkenntnis: ich brauche einen Alltag. Und neben kleinen und größeren Reisen mochte ich die Struktur, die mir die Arbeit und Hobbies gaben. Ich war froh, dass aus Bekannten dann Freund*innen wurden, mit denen mich dann gemeinsame Erlebnisse und Interessen verbanden und nicht nur das irgendwie „Fremde“ aneinander.
Und Sofia?
Ja, Sofia war tatsächlich eine Überraschung. Eine der ältesten europäischen Städte, der man es aber kaum ansieht. Das Leben steht kurz still bei -25 Grad Schneechaos und auch bei 40 Grad Hitze. Die unendlich vielen Parks. Die hippen Cafés. Die trashigen Parties im berüchtigten „Studentski Grad“. Das Wandern im Vitoshagebirge, direkt vor den Toren der Stadt. Und Sofia hat mir ein bisschen das Tempo genommen. Von einem Termin zum anderen spazieren, auch mal ein paar Minuten zu spät kommen, auch mal eine Party auslassen. So viel Entspanntheit in einer Metropole mit fast 2 Millionen Einwohnern.