Ein JahrRadiojournalistinin Windhuk
Dana ist als kulturweit-Freiwillige nach Windhuk in Namibia gereist. Sie blieb ein Jahr beim Partner Namibian Broadcasting Corporation.
Es ist 10 Uhr vormittags in Windhuk-West und die Sonne knallt bereits. Im Innenhof der Radiostation der Namibian Broadcasting Corporation (NBC) kommen einige Mitarbeiter der NBC zu einer kurzen Pause zusammen. Man tauscht sich aus über die neusten Geschichten und Nachrichten. Mein Kollege und ich haben nur wenig Zeit, um mit den anderen Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen, denn wir sind seit einer Stunde auf Sendung im Programm "Blick in die Welt". Ein Format bestehend aus internationalen Kurzmeldungen und Studiointerviews.
Bei der NBC Radio Station gehen täglich zehn verschiedene Sprachdienste auf Sendung. Das Deutsche Hörfunkprogramm, bei dem ich arbeite, ist eines dieser Angebote. Darüber hinaus gibt es Sendungen in den Sprachgruppen des Otjiherero, Oshiwambo, Lozi, Afrikaans, Nama/ Damara, Setswana, Kwangali und in der Amtssprache Englisch.
Um 11 Uhr findet die Besprechung aller Redaktionsmitglieder des deutschen Hörfunks statt. Es werden Themen besprochen und Aufgaben verteilt. Auf der Agenda der Berichterstattung stehen die Themen "Gender Based Violence" und Armutsbekämpfung. Auch beschäftigen uns immer wieder die Dürreprobleme des Landes – ein Thema, das Namibia bewegt. Der Sommer, den ich während meines Freiwilligendienstes durchlebe, ist sehr trocken. Am 3. Dezember 2015 ruft die Stadt Windhuk den Wassernotstand aus. Die Bewohner der Stadt werden angehalten, Wasser zu sparen. Dabei geraten die Behörden selbst in die Kritik, denn sie halten sich nicht an ihre eigenen Vorgaben: Parks und Grünflächen beispielsweise werden unverändert bewässert.
Viele Probleme und Entwicklungen meines Gastlandes haben mich auch persönlich in meinem Alltag beschäftigt. So hat mir die Rationierung der Wasserressourcen vor Augen geführt, dass Wasser in Namibia – anders als in Deutschland – kein selbstverständliches Gut ist.
Windhuk: eine Stadt mit zwei Gesichtern
In Windhuk mischt sich das koloniale Erbe der deutschen Siedler mit dem eigenen namibischen Charme. Hier werde ich mit offenen Armen und offenem Herzen empfangen und lerne sehr schnell viele Menschen kennen. Das Stadtbild ist sehr unterschiedlich: Wohlhabende Stadtviertel liegen Seite an Seite mit Siedlungen, die zum Teil nicht an die Strom- und Wasserversorgung der Stadt angeschlossen sind.
Wohlhabende halten sich von diesen Stadtteilen eher fern. Ich unternehme hin und wieder mit einheimischen Freunden Ausflüge in die ehemalige Township. Dort helfe ich in einer Suppenküche aus. Die Ausflüge zeigen mir, warum die Armutsbekämpfung im Land Namibia einen hohen Stellenwert in der Politik einnimmt und deswegen auch in der Berichterstattung eine Rolle spielt.
In der Redaktion ist es jetzt 12 Uhr: Nach dem Meeting habe ich Zeit für eine kurze Pause. Dann übersetze ich die Nachrichten, die um 13 Uhr ausgestrahlt werden. Täglich um 15 Uhr läuft im Programm "What's Up?!" – eine Jugendsendung. Hier für recherchiere ich zu Themen, die Jugendliche in Namibia interessieren. Ich spreche zum Beispiel mit Sportvereinen, Ausstellern, Eventorganisatoren und halte die jungen Hörer unter anderem zu Möglichkeiten der Freizeitgestaltung auf dem Laufenden. Durch meine Arbeit bei der NBC entwickle ich ein breites Verständnis für die namibische Politik- und Kulturlandschaft. Davon unabhängig habe ich in meiner Freizeit die Chance, Fortschritte in Fragen der interkulturellen Kompetenz zu machen. Ich lerne die Umgangsformen der Owambo kennen: ausladende Begrüßungsfloskeln oder die traditionelle Art, wie die Owambos ihre Hochzeiten feiern.
Im Schatten der Kolonialzeit
Als reiferer, offenerer Mensch kehre ich nach 12 Monaten Dienstzeit bei der NBC aus Namibia zurück. Der kulturweit-Freiwilligendienst sensibilisiert mich dafür, wie es sich anfühlt, als Ausländerin zu Gast in anderen Kulturen zu sein. Dazu gehört auch, fremde Perspektiven auf Europa kennenzulernen. Unter anderem beginne ich zu verstehen, was für eine historische Verantwortung die Kolonialzeit aus der Sichtweise der Einheimischen darstellt, was für Vorstellungen über Europäer existieren und auf welchen Umständen sie gründen. So gerate ich im alltäglichen Leben in Windhoek in Situationen, in denen deutlich wird, dass ich als Weiße gegenüber der nicht-weißen Bevölkerung Privilegien besitze, die in den Ungerechtigkeiten der Kolonialzeit wurzeln. Ich werde oft als potentiell reicher Mensch wahrgenommen und damit gegenüber nicht-weißen Menschen auch mal die bevorzugte Kundin auf dem Markt oder im Taxi.
Eine neue Perspektive auf Deutschland
Zahlreiche Aspekte aus meinem Leben in Namibia kann ich nun zu meinem Leben in Deutschland in Bezug setzen. Es gibt einige Dinge, die ich, nun zurück in der Heimat, mehr als vorher zu schätzen weiß: die größere soziale Sicherheit hierzulande und auch die größere Sicherheit im öffentlichen Raum. Aber auch einige negative Dinge fallen mir im Heimatland auf: So erscheint mir das tägliche Leben deutlicher von einer Mentalität des übermäßigen Konsums geprägt als das Leben im Gastland. Zudem wirken die Strukturen im Heimatland Deutschland verknöchert und starr, wohingegen ich die Strukturen in Namibia als flexibler wahrnehme. Mit anderen Worten: Die Energie des Aufbruchs ist in Namibia selbst nach nunmehr 26 Jahren Unabhängigkeit nach wie vor spürbar.
Insgesamt kann ich sagen: Es wird noch Zeit brauchen, bis ich alle Erfahrungen des Jahres einordnen kann. Ich schätze mich glücklich, ein Jahr in Namibia zu Gast gewesen zu sein und beim Deutschen Hörfunkprogramm der NBC gearbeitet zu haben. Meine Einsatzstelle und mein Gastland erlaubten es mir, prägende interkulturelle und berufsrelevante Erfahrungen zu sammeln. Ich bin mir sicher: Von diesen Erfahrungen werde ich in Zukunft noch lange zehren.